Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13.8.2012, Az. 8 U 158/11

Insolvenzanfechtung, ? 130 InsO

In einem Rechtsstreit, in dem wir die Beklagte vertreten haben, hat das Hanseatische Oberlandesgericht unsere Auffassung best?tigt und die Klage des Insolvenzverwalters in zweiter Instanz endg?ltig abgewiesen (Gesch?ftszeichen 8 U 158/11). Der Insolvenzverwalter hatte unsere Mandantin, eine gro?e Kapitalgesellschaft mit einem Umsatz von mehr als EUR 500 Mio., im Wege der Insolvenzanfechtung gem?? ? 130 InsO auf R?ckzahlung von erhaltenen Kaufpreiszahlungen in Anspruch genommen, die diese zuvor von einem mittlerweile insolventen Unternehmen erhalten hatte. Nach ? 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung (hier die Zahlung), die einem Insolvenzgl?ubiger eine Sicherung oder Befriedigung gew?hrt oder erm?glicht hat, anfechtbar, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Er?ffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunf?hig war und wenn der Gl?ubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunf?higkeit kannte. Nach ? 130 Abs. 2 InsO steht der Kenntnis der Zahlungsunf?higkeit die Kenntnis von Umst?nden gleich, die zwingend auf die Zahlungsunf?higkeit schlie?en lassen. Das OLG Hamburg erkennt hier zutreffend, dass eine solche Kenntnis auf Seiten der Beklagten nicht vorhanden war. In den Entscheidungsgr?nden des Hanseatischen Oberlandesgerichts wird unter anderem ausgef?hrt, dass trotz eines Zahlungsr?ckstandes von fast drei Monaten und daran anschlie?enden Abschlagszahlungen des Schuldners nicht der zwingende Schluss auf eine Zahlungseinstellung/Zahlungsunf?higkeit zu ziehen war. Obwohl es sich zwar um ?erhebliche? Verbindlichkeiten gehandelt und der Insolvenzschuldner die Rechnungen der Beklagten ?ber knapp drei Monate fast ?berhaupt nicht beglichen habe, lag, da die Beklagte Ihre Forderungen nicht ernsthaft verfolgt hat, die M?glichkeit nicht fern, dass der Schuldner den Langmut der Beklagten ausnutzte, um z.B. Liquidit?t oder Zinsen zu sparen oder bei anderen Gl?ubigern Skonti zu ziehen. ?Gerade bei einer laufenden Gesch?ftsbeziehung ist es nach Kenntnis des Senats im Gesch?ftsleben nicht un?blich, dass Unternehmen auch ohne Zahlungsunf?higkeit einen gewissen Berg an Verbindlichkeiten vor sich her schieben und die Lieferanten dies jedenfalls bis zu einer gewissen H?he dulden und den Abnehmer trotzdem weiter beliefern. [?] In der Regel wird ein Unternehmen Forderungen von Finanz?mtern oder Sozialversicherungstr?gern wegen der erleichterten Vollstreckung und der m?glichen Verwirklichung von Straftatbest?nden vorrangig bedienen, so dass deren schleppende Bezahlung eher auf eine Zahlungsunf?higkeit schlie?en l?sst als dies bei Lieferantenforderungen der Fall ist.? Dieses Urteil ist insbesondere deshalb interessant, da es eines der wenigen Urteile ist, in denen konkret benannt wird, wann KEINE Kenntnis von Umst?nden gegeben ist, die zwingend auf eine Zahlungsunf?higkeit hindeuten. In der Praxis stehen Beklagte, die sich gegen insolvenzrechtliche Anfechtungsanspr?che verteidigen, regelm??ig vor dem Problem, dass zwar zahlreiche Urteile existieren, aus denen hervorgeht, wann von der Kenntnis von Umst?nden, die auf die (drohende) Zahlungsunf?higkeit hindeuten, auf die (drohende) Zahlungsunf?higkeit selbst geschlossen werden kann. Es existieren jedoch nur vereinzelt Urteile, aus denen hervorgeht, wann dieser Schluss gerade nicht gezogen werden kann. Mangels solcher Anhaltspunkte sowie der auch immer wieder vom Bundesgerichtshof betonten Tatsache, dass es letztlich Sache des Tatrichters sei, zu entscheiden, ob die ?Umstandskenntnis? ausreiche oder nicht, werden solche Streitigkeiten selten ?durchprozessiert? und enden regelm??ig in einem Vergleich.
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